Mit Unverständnis reagieren die Stadtratsfraktionen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und AFD auf die Online-Petition der FDP zur Senkung der Grundsteuer für nicht rein Wohnzwecken dienenden Grundstücken (Nichtwohngrundstücke). „Der als astronomisch anmutende Hebesatz von 1.200 Punkten führt lediglich dazu, dass Bingen aus der Grundsteuer für Gewerbegrundstücke, die in die Gruppe der Nichtwohngrundstücke fallen, in etwa die gleichen Einnahmen erzielt, wie vor der Reform“, erläutern die Fraktionsvorsitzenden.
Die Parteien weisen sodann darauf hin, dass die großen Mehreinnahmen und damit die Mehrbelastung für die Bürgerinnen und Bürger aus der Grundsteuer für Wohngrundstücke resultiere, denn rund 10.000 von fast 11.000 Bescheiden sind den privaten Grundstücken zugeordnet. Ein Teil der Erklärung für diese Entwicklung könne an folgendem Beispiel verdeutlicht werden: Obwohl Bingen im Bubenstück die Grundstücke für max. 225,-€/qm verkauft habe, liege der Bodenrichtwert aktuell bei 380 €/qm. Das macht ansatzweise erkennbar, woher die Steigerungen kommen. Dabei sind die gestiegenen Baupreise noch nicht berücksichtigt.
Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts musste der Bundesgesetzgeber bis Ende 2019 eine Neuregelung der Grundsteuer treffen. Die bisherige Berechnung beruhte in Westdeutschland noch auf Werten von 1964. Für die neu geregelte Grundsteuer gibt es ein Bundesmodell, an dem sich aber nicht alle Bundesländer orientieren mussten, weil die Grundsteuer in Ihren Zuständigkeitsbereich fällt. Die Neubewertung der Grundstücke führte zwischen Wohngrundstücken und Geschäftsgrundstücken zu großen Wertverschiebungen.
Eine höhere Grundsteuer für Wohngrundstücke in Bingen resultiert allein aus den zumeist gestiegenen Bodenrichtwerten und der Bewertung des Grundstückes (z.B. Größe, Alter, Vermietbarkeit). Der Hebesatz von 465% für Wohngrundstücke wurde in Bingen also bewusst nicht angehoben, um die Bürger nicht zusätzlich zu belasten.
Es hat sich allerdings gezeigt, dass das Eigentum an gewerblich genutzten Grundstücken zum Teil erheblich „günstiger“ geworden ist, weil die Nichtwohngrundstücke nach einem anderen Verfahren und damit häufig niedriger bewertet wurden. Von den knapp 1.000 gewerblich genutzten Grundstücken sind in Bingen ca. 300 als gemischt genutzte Grundstücke veranlagt worden. Insgesamt sind dies also etwa drei Prozent aller Veranlagungen, die die Petition der FDP betreffen, wobei nicht verkannt wird, dass hier im Einzelfall hohe Belastungen entstehen. Dies ist aber auch dem Umstand geschuldet, dass innerhalb der Gruppe der gemischt genutzten Grundstücke keine weitere Differenzierung der Hebesätze möglich ist, was auf eine gesetzliche Regelung der Rheinland-pfälzischen Landesregierung zurück geht. Wichtig ist hierbei anzumerken, dass gemischt genutzte Grundstücke als nicht Wohngrundstücke gelten. Hier sollten Hauseigentümer von ihren Möglichkeiten gebrauch machen. D.h. konkret, wird ein Haus mehr als 80 % als Wohngebäude genutzt, kann auf das gesamte Gebäude der Hebesatz für Wohngebäude angewandt werden. Sind es weniger als 80%, muss eine Differenzierung im Grundbuch vorgenommen werden, um eine Besteuerung nach unterschiedlichen Hebesätzen zu erreichen. Wir empfehlen hier den Kontakt zur Finanzverwaltung oder zu einem Steuerberater zu suchen. Von der Grundsteuer befreit, sind gemeinnützige Vereine, sofern sie die Liegenschaft nur satzungsgemäß, d.h. nicht zu wirtschaftlichen Zwecken verwenden z.B. bei einer Vereinsgaststätte. Hervorzuheben ist ebenfalls die Tatsache, dass das Gesetz Vergünstigungen für Eigentümer von denkmalgeschützten Gebäuden enthält.
Zu Ende gedacht bedeutet dies, dass die Erhöhung aus der generellen Situation für Wohngrundstücke resultiere oder erst durch die jetzt im Rat beschlossene Erhöhung an die alten Ergebnisse geführt würden. Ohne den differenzierten Hebesatz würden einzelne Eigentümer gewerblicher Flächen ansonsten teilweise mehrere 100.000 Euro sparen, während die 10.000 privaten Eigentümer nahezu alle mehr bezahlen müssten.
Eine generelle Senkung der Hebesätze und damit eine weitgehende Gleichstellung von Wirtschaft und Eigenheimbesitzern halten die oben genannten Fraktionen für nicht machbar angesichts der Haushaltssituation von Bingen, zumal der allgemeine Hebesatz, auf dem vom Land definierten, Mindestsatz von 465 % liege.
Für Bingen ist ein Verzicht auf eine Förderung durch das Land nicht verkraftbar. Die sei aber die Folge, wenn man beim allgemeinen Hebesatz unter den Wert von 465 % gehe.
Unerwähnt lässt die FDP auch den Umstand, dass ein Teil der Betroffenen die nun höheren Ausgaben für die Grundsteuer an anderer Stelle steuermindernd geltend machen kann, zum Beispiel bei der Gewerbesteuer, der Körperschaftssteuer oder auch der Eigentumssteuer.
Wer also wie die FDP auf Einnahmen für die Stadt verzichten will oder einseitig eine geringe Anzahl von Eigentümern privilegieren will, muss dann auch sagen, welche kommunalen Projekte er streichen, will: Etwa die Sanierung der Eisweinhalle in Dromersheim, den Sportplatz in Kempten oder andere Projekte oder welche Gebühren oder Abgaben die FDP an anderer Stelle erhöhe wolle, um die Entwicklung der Stadt voranzutreiben.
Die Freien Demokraten seien auch an die zusätzlichen Kosten, die die Stadt für den Weiterbetrieb des Heilig-Geist-Hospitals zu tragen bereit war, erinnert.
Die Mehreinnahmen der Stadt Bingen beziffern die Fraktionen auf einen niedrigen Prozentbereich was teilweise auch der Rundung des Hebesatzes für Nichtwohngrundstücke „nach oben“ geschuldet und mit großer Mehrheit im Stadtrat verabschiedet worden ist . „Bingen macht sich nicht die Taschen voll“, so die Fraktionen abschließend.
Norbert Schwarz Vorsitzender AfD Fraktion im Stadtrat Bingen am Rhein Stellv. Vorsitzender AfD Fraktion im Kreistag Mainz-Bingen |
